Reibung: Eine Naturgewalt

Wenn es um das Vorspannen von Schrauben geht, ist die Reibung ein Faktor, den es zu beachten gilt. Reibung ist in einer Schraubenverbindung immer vorhanden und sie kann sowohl Teil des Problems, als auch Teil der Lösung sein.

Reibung ist eine Kraft, die immer dann entsteht, wenn zwei Objekte einander berühren. Sie ist das Gegenteil jeder Bewegung. Völlig egal, in welche Richtung sich etwas bewegt, Reibung zieht es in die entgegengesetzte Richtung.

Und doch brauchen wir die Reibung. Ohne sie wären wir nicht in der Lage zu Laufen, auf einem Stuhl zu sitzen oder Treppen zu steigen. Alles würde einfach nur herumrutschen.

Reibung: Eine Naturgewalt

FRANK NAUMANN, ehemaliger Geschäftsführer des Deutschen Schrauben­verbandes mit mehr als 50 Jahren Erfahrung auf dem Gebiet der Reibung, erklärt, dass Reibung in einer Schraubenverbindung immer vorhanden ist. Auf der einen Seite begrenzt sie die Effizienz, das Drehmoment in die gewünschte Vorspannung zu verwandeln, auf der anderen Seite ist sie notwendig, um die Vorspannung in der Schraubenverbindung aufrecht zu erhalten, um ein ­Lösen der Teile zu verhindern.

„Es gibt zwei Koeffizienten, die die Reibung zwischen den sich drehenden Teilen beim Festziehen beschreiben“, führt Naumann aus.

„Zum Ersten der Reibungskoeffizient zwischen den Lagerflächen unter dem Schraubenkopf oder unter der Mutter µb (μb = Unterkopfreibung), und zum Zweiten der Reibungskoeffizient zwischen den Gewinden µth (μth = Gewindereibung). Beide Arten der Reibung verbrauchen eine große Menge an Energie, die in nutzlose Wärme umgewandelt wird. In dem Fall, dass µb=µth= 0,10, werden zum Beispiel nur 16 % des Drehmoments in Vorspannung umgewandelt. Die Größe der Koeffizienten lässt sich durch kontrollierte Schmierung beeinflussen. In der Automobilindustrie wird meist ein Bereich zwischen 0,08 und 0,16 verwendet.“

IN BEZUG AUF SCHRAUBENVERBINDUNGEN ist die Reibung manchmal sowohl Teil der Lösung, als auch Teil des Problems. Natürlich wird die Klemmkraft in einer Schraube hauptsächlich durch das Drehmoment bestimmt, das zum Anziehen der Schraube erforderlich ist. Aber sie ist auch eine Funktion von Aspekten wie z. B. des Durchmessers und der Länge der Schraube, der Gewindegeometrie und – nicht zu vergessen – der Reibungskoeffizienten, die in den Gewinden und unter dem Schraubenkopf und der Mutter vorhanden sind.

Der Reibungskoeffizient wird zur Berechnung der Anzugsmomente und der daraus resultierenden Zugkräfte und Zugspannung der Schraube, sowie zur Berechnung der resultierenden Reibungskraft zwischen den miteinander verbundenen Flächen benötigt.

Allerdings sind die Richtwerte der Reibungskoeffizienten, wie sie in Tabellen zu finden sind, nur Näherungswerte. Sie sollten durch Vergleichen mit anderen Informationsquellen und vorzugsweise durch Tests bestätigt werden.

Der Drehmomentwert ist abhängig von der Gesamtreibung. Diese entsteht im Gewinde und zwischen dem drehmomentbeaufschlagten Schraubenkopf und der Gegenauflage, bzw. der Unterlegscheibe, wenn vorhanden. Tatsächlich geht beim Anziehen nahezu die gesamte Energie, die zur Überwindung der Reibung unter dem Kopf, der Mutter und zwischen den Gewinden eingesetzt wird, verloren. Nur ein kleiner Bruchteil des Drehmoments wird in Klemm- oder Vorspannkraft umgewandelt.

Drehmomentschlüssel geben keinen direkten Aufschluss über die Vorspannung in der Schraube. Das beaufschlagte Drehmoment muss die statische Reibung unter dem Schraubenkopf oder unter der Mutter (je nachdem, welches Ende mit Drehmoment beaufschlagt wird) sowie auch zwischen den Gewinden überwinden.

Ein Großteil des beaufschlagten Drehmoments geht verloren; etwa 50 Prozent durch Überwindung der Reibung unter dem drehmomentbeaufschlagten Schraubenkopf oder der Mutter, weitere 40 Prozent durch Reibung zwischen den Gewinden. Lediglich die verbleibenden zehn Prozent des aufgebrachten Drehmoments leisten nützliche Arbeit, indem sie die Schraube dehnen und die Vorspannung zur Verfügung stellen.

Reibung wird häufig als Möglichkeit zur Sicherung von Schraubenverbindungen verwendet. Die gebräuchlichsten Beispiele sind verformte Gewinde, Sicherungsmuttern mit Nyloneinsatz, oder auch Fächer-, Zahn- und Sternscheiben. Bei diesen Lösungen basiert das Prinzip des Kraftschlusses auf einer erhöhten Reibung im Gewinde oder unter dem Schraubenkopf oder der Mutter.

Faktoren wie Torsion, Verschleiß und Festfressen können diese reibungsbasierten Lösungen jedoch negativ beeinflussen.

AUßERDEM KÖNNEN BEI REIBUNGSBASIERTEN SICHERUNGSLÖSUNGEN PROBLEME durch die höhere Torsionsbelastung in der Verbindung auftreten. Eine hohe Torsion kann dazu führen, dass das Verbindungselement bei einer niedrigeren Vorspannung als erwartet nachgibt. Da Reibungsbedingungen ungleichmäßig sind, wird die notwendige Vorspannung möglicherweise nicht erreicht.
Bei Verbindungselementen aus Edelstahl, Aluminium, Titan und anderen Legierungen kann es darüber hinaus zu einem unvorhersehbaren Gewindefressen kommen. In Schraubenverbindungen tritt das Gewindefressen beim Anziehen des Verbindungselements auf, während der Druck zwischen den Kontakt- und Gleitflächen der Gewinde immer weiter zunimmt.
In extremen Fällen führt das Gewindefressen zu einem Festfressen, bei dem sich die Gewinde kaltverschweißen und die Schraube sich nicht mehr bewegen lässt. Wird das Anziehen nun trotzdem fortgesetzt, kann die Schraube ab- oder das Gewinde ausreißen.

Oft werden Schmiermittel verwendet, um die Reibung zu verringern und eine gleichmäßige Klemmkraft zu erzielen. Durch Schmieren der Innen- und Außengewinde kann häufig auch das Gewindefressen beseitigt werden.

Laut Michael Stähler, Produktmanager bei Dörken, geht der aktuelle Trend dahin, die Schraube oder Mutter mit der für den beabsichtigten Einsatzzweck geeigneten Beschichtung zu versehen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Beschichtung mit integrierter Schmierung; eine separate Schmierung, die nach der Beschichtung hinzugefügt wird, ist nicht mehr zeitgemäß, da sie einen zusätzlichen Arbeitsschritt darstellt. Außerdem können Beschichtungen, die nicht temperaturstabil sind, zum Selbstlösen der Verbindung führen.

DESSEN UNGEACHTET wird die Gefahr des Festfressens bei allen reibungsbasierten Methoden erheblich reduziert oder sogar ganz beseitigt. Eine Schmierung sollte nie in Verbindung mit einer reibungsbasierten Sicherung erfolgen, da sie den Sicherungsfunktionen entgegenwirkt.

Eine kontrollierte Klemmkraft ist entscheidend und lässt sich erreichen, indem die Reibung reduziert wird. Für Verschraubungslösungen, bei denen die Sicherung nicht auf Reibung basiert, kann eine Schmierung verwendet werden.
Wird die Reibung durch Schmierung reduziert, verbessert sich die Kontrolle der Vorspannung und die Ausbreitung von Reibung wird signifikant verringert. So ist es möglich, die volle Kapazität der Schraube zu nutzen und die Lebensdauer der Schraubenverbindung zu verlängern. Eine Schraube, die aufgrund von Ermüdung versagt, verursacht unerwünschte Produktionsstillstände.

REIBUNG AUS SICHT VON NORD-LOCK

Reibung aus Sicht von Nord-LockNORD-LOCK SICHERUNGSSCHEIBEN sichern Schraubenverbindungen durch Vorspannung anstelle von Reibung. Die Scheiben sind so konstruiert, dass sie eine Keilwirkung erzeugen, was sich durch die Zunahme der Vorspannung beim Lösen nachweisen lässt.
Diese Keilwirkung verhindert, dass sich die Schraube durch Vibrationen oder Stöße selbsttätig losdreht. Bei den Schraubenverbindungen tritt lediglich ein geringer Verlust der anfänglichen Vorspannung durch normale Setzungsvorgänge zwischen den Kontaktflächen auf.

Eine Reduzierung der Gewindereibung bei einer gleichzeitig verlässlichen Sicherung der Verbindung wird oft als unmöglich betrachtet. Mithilfe der auf Vorspannung basierenden Keilsicherungstechnologie von Nord-Lock kann dies jedoch mit Schmierung erreicht werden.

„Die Keilsicherungsmethode basiert auf Vorspannung anstelle von Reibung“, erklärt Lena Kalmykova, Applikationstechnikerin bei Nord-Lock. „Das gängigste Beispiel eines Keilsicherungssystems ist ein Scheibenpaar, bei dem die Steigung der Keilflächen höher ist als die Gewindesteigung der Schraube. Das Scheibenpaar wird so eingesetzt, dass die innenliegenden Keilflächen aufeinander liegen. Beim Festziehen der Schraube/der Mutter prägen sich die Radialrippen des Scheibenpaars formschlüssig in die Gegenauflage ein, Bewegungen sind nur noch zwischen den Keilflächen möglich. Ein Drehen der Schraube/Mutter wird durch die Keilwirkung der Keilflächen blockiert. Die Keilsicherung wird durch Schmierung nicht beeinträchtigt; vielmehr können Sie durch Schmierung die volle Kapazität der Schraubenverbindung nutzen.“

FASZINIERENDE FAKTEN ZUR REIBUNG

Faszinierende Fakten zur ReibungREIBUNG IST von den Eigenschaften der Oberflächen abhängig, d. h. wie flach, rund oder rau sie sind. Außerdem hängt die Reibung davon ab, in welcher Art von Medium (nass oder trocken) sich die Oberflächen befinden und welche Feststoffe in dem Medium vorhanden sind.

Die Reibung ist ein sehr multidisziplinäres Feld, da sie verschiedene Bereiche wie Mechanik, Chemie und Strömungsdynamik beinhaltet. Um vollständig und in allen Einzelheiten zu erkennen, worum es bei der Reibung geht, sind Untersuchungen auf atomarer Ebene erforderlich.

Die klassischen Gesetze der Gleitreibung wurden von Leonardo da Vinci entdeckt. Wiederentdeckt hat sie schließlich Guillaume Amontons, der das Wesen der Reibung in Form von Oberflächenunebenheiten und der Kraft präsentierte, die erforderlich ist, um das Gewicht anzuheben, mit dem die Oberflächen zusammen gedrückt werden.

Im letzten Jahrhundert wurde nachgewiesen, dass auf mikroskopischer Ebene die tatsächliche Kontaktfläche zwischen den Flächen nur einen sehr kleinen Bruchteil der scheinbaren Fläche ausmacht. Die Entwicklung des Rasterelektronenmikroskop (REM) hat Wissenschaftler in die Lage versetzt, Reibung auf atomarer Ebene zu untersuchen.

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