Wiederaufbau einer Brücke in Genua

Der Wiederaufbau einer 2018 eingestürzten Brücke in Genua war ein anspruchsvolles Projekt. Alle beteiligten Unternehmen und Zulieferer wurden strengen Kontrollen unterzogen, um den Erfolg der Baumaßnahmen in Rekordzeit sicherzustellen.

Die Tragödie ereignete sich am Morgen des 14. August 2018 in Genua, im Nordwesten Italiens. Bei sintflutartigen Regenfällen brach die Ponte Morandi so unvermittelt in sich zusammen, dass einige dachten, sie sei vom Blitz getroffen worden. Die Katastrophe forderte 43 Menschenleben, zerstörte zahlreiche Wohn- und Geschäftsgebäude und legte jahrzehntealte Infrastrukturprobleme offen.

Videos vom Moment des Einsturzes zeigen, wie sich zuerst die Brückenfahrbahn durchbiegt – dann reißen Seile, eine Traverse bricht, Träger werden verdreht, Pfeiler stürzen ins Wasser. Im nächsten Augenblick knickt der 210 Meter lange zentrale Brückenabschnitt ein. Dazwischen die Schreie der Augenzeugen, die
miterleben, wie die Insassen von mehr als 30 Fahrzeugen und drei Lastwagen 45 Meter in die Tiefe gerissen werden.

 

Warnsignale wurden ignoriert

Technisch gesehen war die Ponte Morandi ein Viadukt, keine Brücke – eine 1.182 Meter lange Seilkonstruktion über dem Polcevera-Tal von Genua. Sie verband nicht nur zwei Stadtteile miteinander, sondern bildete auch einen Teil des Fernverkehrsnetzes zwischen Italien und Frankreich. Die Brücke mit ihrem innovativen Design von Ingenieur Riccardo Morandi galt bei Fertigstellung 1967 als nationales Prestigeprojekt.

Doch das Verkehrsaufkommen in jenem Jahr lag nur bei etwa sechs Millionen Überfahrten pro Jahr. Anfang der 2000er Jahre hatte sich diese Zahl vervierfacht, und die Belastung war der Brücke immer deutlicher anzusehen. Doch die Warnsignalewurden aufgrund technischer Unwissenheit und politischer
Vernachlässigung weitgehend ignoriert. Nach der Katastrophe beschloss die Regierung, die Überresteder Ponte Morandi abzutragen und durch ein neues, sicheres undzuverlässiges Viadukt zu ersetzen. Der renommierte Architekt Renzo Piano aus Genua bot seine Dienste hierzu kostenlos an und der Bauauftrag für die neue Konstruktion mit dem späteren Namen Viadotto Genova-San Giorgio ging an PERGENOVA, ein speziell für das Projekt gebildetes Konsortium.

 

Bau mit vielen Herausforderungen

Aus Zeitgründen gab es keine formelle Ausschreibung, allerdings verfügte PERGENOVA über ausgezeichnete Referenzen. Das Baukonsortium bestand aus drei Unternehmen: FincantieriInfrastructure, einer Tochtergesellschaft von Fincantieri SpA, Italiens größtem Schiffbauunternehmen, WeBuild SpA, Italiens größtem Baukonzern und Generalunternehmer (damals noch Salini Impregilo), sowie Italferr, einem staatlichen Ingenieurbüro mit dem Schwerpunkt Verkehrsinfrastruktur.

Fincantieri Infrastructure ist spezialisiert auf komplexe Ingenieur-, Beschaffungs- und Bauprojekte mit Stahl, darunter Brücken, Hafenanlagen und Sportstätten. Das Know-how des Unternehmens basiert auf der langjährigen Erfahrung des Mutterkonzerns im Schiffbau.

Obwohl die Sicherheit immer ein wichtiger Aspekt im Brückenbau ist, verlangten die Umstände des Genua-Projekts von PERGENOVA, diesem Thema eine noch höhere Priorität einzuräumen. Bei der Wahl der Zulieferer und Subunternehmer spielten neben hervorragenden Referenzen auch wettbewerbsfähige Kosten und die Schnelligkeit der Umsetzung eine Rolle.

Die Bauausführung wurde von sowohl vorhersehbaren als auch unerwarteten Herausforderungen begleitet. Erstere waren zum Beispiel der enge Zeitplan und die schwere Zugänglichkeit der Baustelle. Der Abriss der Überreste der alten Brücke zog sich bis Ende Juni 2019, zumal auch die Anwohner in dem Vorhaben berücksichtigt werden mussten. Unvorhergesehene Komplikationen waren mehr als 100 Regentage – ein Jahrhundertrekord – seit Ende 2019. Anfang 2020 folgte die COVID-19-Pandemie.

Viele innovative Lösungen Lorenzo Sartori, Leiter des technischen Büros bei Fincantieri Infrastructure, stellt fest:


Bei der Planung war es wichtig, die Brücke konzeptionell einfach und sicher zu halten, aber auch eine schnelle und unkomplizierte Produktion und Errichtung zu gewährleisten.

Sie ist 1.067 Meter lang und besteht aus 19 Stahlbeton-Teilstücken zwischen 18 Brückenpfeilern aus armiertem Beton. Die Konstruktion erinnert bewusst an den Rumpf eines Schiffes – eine Hommage an Genuas Rolle als Hafenstadt und die Symbolbedeutung des Projekts. Sartori beschreibt die Kooperation seines Unternehmens mit Renzo Piano als „einmalige Chance, mit einem Architekturgenie zusammenzuarbeiten“.

 

Zu den Innovationen des Projekts zählten:

  • Die Überwindung vieler bürokratischer Hindernisse, um den Projektabschluss zu beschleunigen.
  • Die Verringerung der Umweltbelastung durch Solarmodule, die Energie für den Betrieb von Beleuchtung, Sensoren und andere Brückenanlagen liefern.
  • Ein spezielles Entwässerungssystem zur Vermeidung von salzhaltigem Kondensat, das die Konstruktion im Laufe der Zeit schwächen könnte.
  • Vier Roboter, die kontinuierlich beide Seiten der Fahrbahnunterseite abfahren und auf mögliche Unregelmäßigkeiten untersuchen und diese an eine rund um die Uhr besetzte Leitstelle melden.

 

Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg

Die Ponte Genova San Giorgio wurde am 3. August 2020 nach einer Bauzeit von lediglich 15 Monaten eingeweiht. Es ist nochzu früh, die Leistungsfähigkeit der Konstruktion im Laufe der kommenden Jahre zu beurteilen, doch ihre Ästhetik, Funktionalität und symbolische Bedeutung sind unbestreitbar. Sartori fügt hinzu: „Das Projekt war eine persönliche und berufliche Erfahrung für zahlreiche Menschen mit unterschiedlichstem Hintergrund, die tagtäglich alles gegeben und gezeigt haben, was möglich ist, wenn alle gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten.“

EINE BEWÄHRTE SCHEIBE FÜR EINE SYMBOLTRÄCHTIGE BRÜCKE

Die Herausforderung war groß, als Luca Gheddo, General Manager von Nord-Lock S.r.l., und Lorenzo Sartori, Leiter des technischen Büros bei Fincantieri Infrastructure, im August 2019 zusammenkamen.

Die für Genua geplante neue Brücke benötigte Schraubenverbindungen, welche
auch unter dynamischen Belastungen und Erschütterungen, sich keineswegs lösen konnten.

Erschwerend kam hinzu, dass diese Schrauben nach der Montage nicht mehr regelmäßig kontrolliert – oder gar nachgezogen – werden können. Die Lösung waren Nord-Lock Keilsicherungsscheiben, mit denen jede Schraubenverbindung durch Vorspannkraft statt Reibung gesichert wird.

Die Keilsicherungsscheiben weisen eine hohe Korrosionsbeständigkeit auf und bieten damit die für die rauen Umgebungsbedingungen von Genua, Italiens verkehrsreichster Hafenstadt, erforderliche Dauerhaftigkeit. Dies wurde in mehr als 1.000 Stunden Salzsprühnebeltest nach ISO 9227 nachgewiesen.

Laut Frank Götz, Stahlbauexperte bei der Nord-Lock Group, stoßen Nord-Lock Keilsicherungsscheiben bei einigen Ingenieuren auf Zurückhaltung, weil befürchtet wird, dass sie nicht die Vorgaben der europäischen Ausführungsnorm für Stahltragwerke EN 1090-2 erfüllen.

Tatsächlich erfüllen Nord-Lock Keilsicherungsscheiben aber diese Anforderungen und verringern gleichzeitig die Lebenszykluskosten.

Sartori war überzeugt von den Nord-Lock Keilsicherungsscheiben, die aufgrund ihrer spezifischen Merkmale gewählt wurden. Sie helfen bei der Sicherung der Rahmen der Fahrbahnränder sowie der Brückenrampe, wobei die Keilsicherungstechnologie dafür sorgt, dass sich die gesicherten Schrauben auch bei starken Schwingungen und dynamischen Lasten, die bei Brücke und Rampe vorherrschen, nicht von selbst lösen können.

Zusätzlich wurden Keilsicherungsscheiben speziell für Stahlkonstruktionen und HV/HR-Schraubensets (hochfest vorspannbare Garnituren für Schraubenverbindungen im Metallbau) entwickelt. Sie finden sich an den Brückenplattformen, wo die Fahrbahnunterseite von VDC-Robotern (Vehicle dynamic control) überwacht wird, um Unregelmäßigkeiten zu erkennen und zu melden.

Fincantieri Infrastructure war nicht nur mit den technischen Eigenschaften der Keilsicherungsscheiben zufrieden, sondern auch mit der Schnelligkeit, mit der Nord-Lock für die notwendige Zertifizierung, technische Unterstützung und Produktbereitstellung sorgte. Die ersten Bestellungen wurden im Januar 2020 ausgeliefert, erinnert sich Gheddo, und die Nord-Lock Group freut sich, bei diesem wichtigen und herausfordernden Projekt eine so entscheidende Rolle gespielt zu haben.

Wir haben Ihr Interesse geweckt? Dann erfahren Sie mehr in unserem Whitepaper zum Thema Brückenbau unter nord-lock.com/de-de/bridge-construction.

 

Eröffnung
3. August 2020

Architekt
Renzo piano

Gesamtlänge
1,067 Meter

Fahrspuren
4 (plus 2 Seitenstreifen)

Breite
30.80 Meter

Das Unternehmen
FINCANTIERI INFRASTRUCTURE IST EINE TOCHTERGESELLSCHAFT VON FINCANTIERI S.P.A., DEM VIERTGRÖSSTEN SCHIFFBAUUNTERNEHMEN DER WELT.

Unternehmenssitz
Verona, Italien

Produktsparten
HÄNGEBRÜCKEN, VIADUKTE, BOGENBRÜCKEN, SEILBRÜCKEN, EISENBAHNBRÜCKEN, TÜRME, GEBÄUDESTRUKTUREN, FLUGHÄFEN, SEE- UND KÜSTENBAU, SCHWIMMENDE MODULARE SYSTEME.