DIE EXPERTEN: Die Geschichte hinter dem Phänomen

F:  Was versteht man unter dem „Virgin Bolt“-Phänomen?

A:  Der Begriff „Virgin Bolt“-Phänomen wurde von Rolf Steinbock in der frühen Phase der Entwicklung der Superbolt Spannelemente geprägt. Um Vorspannungswerte festzulegen, wurden entsprechende Testschrauben durch Spannen einer Superbolt Spannmutter und das Messen der Gesamtlänge vor und nach dem Test (mithilfe des Hookeschen Gesetzes zur Berechnung der Belastung) gemessen. Es kam zu Widersprüchen während des Tests, die zu einer merkwürdigen Kurve in den grafischen Daten führten, die man sich nicht erklären konnte. Beim erneuten Messen der Schrauben nach dem Lösen der Testspannung, wurde ein interessantes Phänomen beobachtet: die Testschrauben gingen nicht immer auf ihre ursprüngliche Gesamtlänge zurück, was zu einer markanten Abweichung (34% in einem Test) führte.

Interessanterweise trat dieses Phänomen jedoch nur beim allerersten Test auf. Wurden die Schrauben weiter getestet, gingen sie immer auf ihre neu ermittelte Grundlänge zurück. Diese offensichtliche „permanente Dehnung“ wurde nicht durch Materialverformung verursacht, da die Tests unterhalb der Dehngrenze durchgeführt wurden. Weitere Tests zeigten, dass dies nur bei Schrauben aus vorwärmebehandeltem Material auftrat, bei nachwärmebehandelten Schrauben jedoch nicht. Man ging davon aus, dass die Wärmebehandlung dazu führt, dass die Außenseite eines Stabs schnell aushärtet und dadurch in dessen Innerem ein extremer Druck entsteht, der den Werkstoff komprimiert. Das Entfernen der äußeren Zunderschicht beim Verarbeiten setzt diesen Druck frei. Eine extern angesetzte Zugkraft auf die fertigen Schraube führt zu einer effektiven Neuordnung der Kornstruktur im Werkstoff (ähnlich dem Strecken einer Kette).

Wenn bei neuen Schrauben kritische Dehnungsmessungen zum Testen oder im Einsatz erforderlich sind, ist es daher wichtig, die Schraube im Vorfeld zu dehnen, und somit eine neue Grundlänge zu erhalten, mit der korrekte Werte sichergestellt werden können. Das „Virgin Bolt“-Phänomen ist nicht sehr bekannt, aber es ist eine wichtige Variable, die bedacht werden muss, um Dehnungsmessungen korrekt auszuwerten.